Brief an Al-Wazir zur Demo: Verlärmung der Pestalozzischule, unnötige Baumfällungen, ... – so nicht!

Kategorie: Offener Brief
Veröffentlicht am Montag, 02. Oktober 2017 08:20

Herr Staatsminister Al-Wazir, Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
Hessische Staatskanzlei, Georg-August-Zinn-Straße 1,
65183 Wiesbaden

(Kopie an: Priska Hinz, Ministerin, Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Mainzer Str. 80, 65189 Wiesbaden)

Riederwaldtunnel: Verlärmung der Pestalozzischule, unnötige Baumfällungen, veraltete Schutzkonzepte trotz neuer Prognose – so geht’s nicht mehr weiter! Unsere Demo am 30.9.

Frankfurt am Main, 30. September 2017
Sehr geehrter Herr Staatsminister Al-Wazir,
wir bedanken uns zunächst für Ihre Antwort, die Sie uns über Herrn Staatsminister Samson zukommen ließen. Aufgrund der hohen Relevanz für das Land Hessen – Sie selbst sprachen auch von einer Priorität dieses Projekts – möchten wir Sie bitten, den vorliegenden Brief nun selbst zu beantworten. Wir schreiben Ihnen erneut, weil der Inhalt der Infoveranstaltungen – der uns trotz Nachhaken im Vorfeld verweigert wurde und der Fragekatalog des Stadtteils noch weitgehend unbeantwortet ist (liegt als Anlage bei) – akuten Klärungsbedarf nach sich zieht, aber auch das Antwortschreiben von Herrn Samson Fragen offenlässt. Zu allererst gibt es insbesondere zwei Punkte, wo schnelle politische Entscheidungen Ihrerseits dringend von Nöten sind: Das angekündigte – aus unserer Sicht aktuell vollkommen unnötige – Fällen von zahlloser Bäumen im kommenden Winter im Bereich „Am Erlenbruch“ wie auch das komplett untaugliche Schutzkonzept für die Pestalozzischule in der Bauphase – wo Sie ganz offensichtlich als politisch Verantwortlicher direkt gefordert sind, Ihrer Planungsbehörde nun ganz zügig, ein Schutzkonzept abzuverlangen, das ein Lernen in der Schule in der Bauphase ermöglicht.
Schlussendlich sahen wir uns im Stadtteil aus diesen Gründen zu einer erneuten Demo veranlasst, die mit 200 Teilnehmer auch einen sehr regen Zuspruch fand und das für ein Projekt, das erst in der Planung ist! Auch die Rednerliste war mit Frau Boiar, Schulleiterin der Pestalozzischule, Herrn Skrypalle, Ortsvorsteher Bereich Riederwald, Seckbach und Fechenheim, Frau Simone Koch, Kinderbeauftragte des Stadtteils, Herrn Nickel, Verkehrsberuhigung Wilhelmshöher (Seckbach) und Vertretern unserer Bürgerinitiative äußerst prominent besetzt. Auch waren sich alle Beteiligten einig, dass wir uns spätestens im nächsten Jahr wieder vor der Schule versammeln, um auf die Probleme weiter aufmerksam zu machen – falls weiter Bedarf bestehen sollte!

 

 

Warum der Frust im Stadtteil so hoch ist, lässt sich über mehrere Aspekte begründen. Zunächst: Obwohl Sie den Tunnel nun offiziell um zwei Jahre – und auch nur wenn keine Klagen kämen (!) und noch nie ein Termin bisher gehalten wurde! – verschoben haben, sollen laut Ihrer Planungsbehörde im kommenden Winter eine komplette Alleenreihe auf der Straße am Erlenbruch – in zentraler Lage im Riederwald – sowie weitere, zahlreiche Bäume in diesem Bereich gefällt werden (Begründung Vorbereitungsmaßnahmen: Bau von Leitungsbrücken und Wassersammlern)). Die Stadt Frankfurt – siehe Verkehrsdezernent Oesterling in der Hessenschau vom 30.9. – geht von einem frühesten, realistischen Baubeginn in 2022/2023 aus! Deswegen setzen wir uns gegen Baumfällungen jetzt und in den kommenden Jahren entschieden zur Wehr! Sie bauen jetzt bereits ein Autobahndreieck auf Vorrat (mindestens zehn Jahre ungenutzt) und haben bereits Dutzende Schrebergärten im Riederwald dafür völlig voreilig vor 10 Jahren geräumt. Das soll sich jetzt mit dem nutzlosen „Abschlachten“ von Bäumen im Bereich Erlenbruch wiederholen? Nein, nein und noch einmal nein! Wir bitten Sie, sprechen Sie sofort ein Machtwort für die Natur und damit für die vielen Menschen, die hier leben! Halten Sie dieses unverantwortliche Verhalten auf!
Mindestens genauso beängstigend und der Grund warum die Schulleiterin Frau Boiar und die Kinderbeauftragte Frau Koch, selbst auf der Demo sprachen: Seit unseren gemeinsamen Gesprächen mit Hessen Mobil (auch Vertreter der Schule waren anwesend) vor 4 Jahren warten wir auf ein Schutzkonzept, das ein Lernen in der Pestalozzischule (Gebäude inklusive einer Grundschule, zwei Horten und einem Kindergarten) trotz großem Baulärm ermöglicht. Dieses existiert jedoch immer noch nicht – und noch schlimmer, aktuell favorisiert Ihre Planungsbehörde mit Schallschutzfenstern ein Modell, das mindestens 2 ½ Jahre (Rammen und Pressen der Spundwände) extreme Überschreitungen der Lärmgrenzwerte in zahlreichen Klassenräumen – ganz offiziell! – zulässt. In den verbleibenden – mindestens – 4 ½ Jahren werden Bagger und Laster – nicht zuletzt auch mit ihren extrem lauten Rückfahrwarntönen – für weitere mit ihrer Unregelmäßigkeit sehr unangenehme Lärmüberschreitungen in den Klassenzimmern sorgen! Wir brauchen Ihnen nicht zu sagen, dass dies unhaltbare Zustände und des Landes Hessens absolut unwürdig sind! Solche Zustände können einen Stadtteil kaputt machen! Auch sehen Ihre Planer bis dato keine Lüftungsanlage vor. Wie sollen denn die Räume gerade auf der betroffenen Südseite belüftet werden, nicht zuletzt in den heißen Sommern im Rhein-Main-Gebiet? Auch sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass bei einem so langen Zeitraum gerade die für eine Grundschule extrem wichtigen Außengelände geschützt werden. Dies umso mehr als neben dem Schulhof, dem Schulgarten, noch das Außengelände des Kindergartens und die Hortwiese betroffen sind. Dies ist nur möglich mit einer hohen Lärmschutzwand direkt an der Baustelle (bei Verlegung der Zufahrt weg von der Hänischstraße). Die zu erwartende Kosten des Lärmschutzes würden sich durch die gleich 8 zu schützende Einrichtungen/jeweiligen Gelände plus positive Effekte auch für die Seniorenanlage in der Vatterstraße mehr als lohnen[1], oder wie sehen Sie persönlich dies, Herr Al-Wazir?
Zu unserer großen Verwunderung und Ärger nahm der Schwerpunkt der Präsentationen vom Juni ein Lärmschutzkonzept für den Frankfurter Osten ein, das de fakto 7 Jahre (!) alt ist, und dies obwohl der Verkehr nun nach der Prognose 2030 um 30 % steigen soll (in der alten Prognose ging noch die Einwohnerzahl Frankfurts stark zurück), und trotzdem soll das Konzept immer noch das „non-plus ultra“ sei??? Dieses Vorgehen finden wir dann doch etwas dreist! Was haben die Planer die letzten 7 Jahre gemacht? Anstelle sinnvolle Konzepte zu finden, wurden „Lärmschutz-Oldtimer“ schöngerechnet, -geredet und -geschrieben! Wo bleibt das innovative Hessen? Biederer geht es nicht mehr! Das Land Hessen hat bald in 5 Jahrzehnten keine Lösung für die Autobahn gefunden, die den notwendigen Anwohnerschutz in einer Großstadt gewährleistet, ein Armutszeugnis! Dass die A661 nun auch offiziell den Verkehr aus dem Riederwaldtunnel nicht verkraftet, passt dabei vollkommen ins Bild, leider!
Das Straßennetz im Frankfurter Osten ist schlichtweg dicht in den Stoßzeiten. Das betrifft nicht nur den Erlenbruch im Riederwald sondern auch die Hanauer Landstraße in Fechenheim wie die Wilhelmshöher Straße in Seckbach. Das wird mit der – nun auch offiziell – wachsenden Bevölkerung von Frankfurt und dem Frankfurter Umland dramatische Züge annehmen. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen erneut unser ÖPNV-Konzept näherbringen, weil es wohl die einzige – und zugleich umweltfreundlichste – Lösung ist, sehr schnell sehr viel an Entlastung im Osten hinzubekommen: Hier die Eckpunkte: Umwandlung der RMV-Maintal-Tarifzone in die Frankfurt-Zone bzw. Übergangszone zu Frankfurt (der Fahrschein ab Hanau muss billiger werden) mit Errichtung von Park & Ride-Plätzen entlang der nordmainischen Regionalbahn (in Maintal und Hanau). Damit würde eine große Tarifungerechtigkeit beseitigt, die eine der Hauptursachen der Überlastung des Erlenbruchs und der Hanauer Landstraße ist (siehe Anlage). Herrn Samsons Argumente (wäre nur Verschiebung der Tarifungerechtigkeit, würde Geld kosten) sind vor dem Hintergrund der dramatischen Überlastung überhaupt nicht nachvollziehbar. Hier muss gehandelt werden, es gibt überhaupt keine andere Wahl oder wie wollen Sie auf anderem Wege die Situation – schnell – in den Griff bekommen?
Abschließend: Aufgrund unserer schlechten Erfahrungen gerade auch in Hinblick auf die Informationspolitik von Hessen Mobil wäre es für uns jetzt bereits sehr wichtig ganz konkret zu erfahren, wie eine tagesaktuelle Unterrichtung über Lärm und Schadstoffe auf der zukünftigen Baustelle; Messung an relevanten Stelle (Schule und Wohnungen) von Ihnen aussehen wird. Dies gilt umso mehr als die nun anstehenden Vorbereitungsmaßnahmen auch schon mit großem Lärm verbunden sind. Wir wollen endlich wissen woran wir sind, und dass die Betroffenen in der Bauphase nicht als Bettler und Bittsteller unterwegs sein müssen, um dann am Ende eben doch wieder ohne konkrete Informationen abgespeist zu werden (so wie geschehen bei den Grenzwertüberschreitungen bei den Proberammungen im Riederwald sowie bei den Rammungen vor der Bornheimer Hallgartenschule).
Auch was die Einrichtung eines Krisenstabes für die Baustelle anbelangt bleibt uns Ihr Vorschlag, dass es zwar kein Krisenstab geben soll aber dafür ein anderes Gremium viel zu nebulös: Wer wird darin vertreten sein (wer auf jeden Fall reingehört: Vertreter der Kindereinrichtungen und der Seniorenwohnanlagen, der Anwohner, der Bürgerinitiativen, der Stadt Frankfurt, Hessen Mobil und des Verkehrsministeriums), wie oft wird getagt, wie wird die Informationsversorgung des Gremiums sichergestellt, was geschieht im Falle der Gefährdung der Bevölkerung – wer trägt hier die Verantwortung? Leider lehrt uns die Erfahrung aus den bisherigen gemeinsamen – im Nachhinein – „Plauderrunden“ mit Hessen Mobil, dass wir nicht ernst genommen werden – und dies obwohl wir viel Sachkunde einbringen und bereits viele Defizite aufgedeckt haben, die niemand zuvor gesehen/angegangen hat.
Bitte gehen Sie dieses Mal die in diesem offenen Brief aufgegriffenen Punkte persönlich an und lassen Sie uns dann auch ein Treffen vereinbaren. Unsere Unsicherheit, Befürchtungen und Ängste müssen uns jetzt endlich mit einer klaren Politik, die auch die gesetzlichen Regelungen zum Anwohnerschutz vollumfänglich umsetzt, genommen werden! Dann ist Ihnen auch der Dank eines ganzen Stadtteils und des Frankfurter Ostens sowie der Pendler sicher! Denn eines ist klar: Nur mit uns kann das Projekt zügig angegangen werden!

[Fußnote: [1] Deswegen ist der Verweis von Hessen Mobil auf den Rechnungshof an dieser Stelle absurd und verantwortungslos! Dieses Verhalten grenzt in unseren Augen an Arbeitsverweigerung und der bewussten Missachtung von Gesetzten zum Schutze von Kindereinrichtungen! Zur Erinnerung: Bereits vor in etwa 3 Jahren beschwerten sich die damaligen Frankfurter DezernentInnen Majer (Verkehr), Heilig (Umwelt) und Sorge (Bildung) wegen ziemlich genau diesem mangelhaften Lärmschutzkonzept bei Ihrem Ministerium (!) und beim für Lärmschutz zuständigen Regierungspräsidium Darmstadt. Die Wiedervorlage ist deshalb schon sehr unverfroren! Und nicht überraschend, es wird auch von der neuen Schulleiterin, Frau Boiar, die auf der Demo sprach, komplett zurückgewiesen.]

Hier der offene Brief als PDF-Datei: icon Offener Brief der BIR an Al Wazir zur Demo am 30.09.2017