Mieter, wehrt Euch gegen Baulärm - und dreck vom Autobahnbau! Ihr habt Recht(e)!

Zusammenfassung der Informationen von Herrn Jürgen Lutz von Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V. auf der Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative Riederwald vom 28.01.2014:
(Wir danken Herrn Lutz für diese wertvollen Infos; eventuell existieren auch noch andere Ansichten dazu, dies können wir nicht beurteilen)

Die Miete kann bei einem Mangel bzw. bei einer Wohnwertbeeinträchtigung gemindert werden. Dazu müssen die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  1. Der Mangel muss „wesentlich" (= gravierend) im Sinne des Gesetzes sein. D.h. bei unwesentlichen bzw. geringfügigen Mängeln darf nicht gemindert werden. Der Mangel muss ein deutlich spürbares Ausmaß einer Wohnwertbeeinträchtigung erreichen.

  2. Der Mangel darf nicht bei Vertragsbeginn bekannt gewesen sein, z. B. Mieter, die bei laufenden Bauarbeiten einziehen, haben weniger Möglichkeiten, die Miete zu mindern. In seltenen Fällen haben einzelne Richter sogar entschieden, dass Mieter nicht mindern dürfen, wenn sie in der Planungsphase von Bauprojekten eingezogen waren. Diese mieterfeindliche Rechtsauffassung gilt aber glücklicherweise als exotische Randerscheinung.

  3. Die Beeinträchtigung muss zu einer deutlichen Überschreitung der bisherigen ortsüblichen Belastung führen. Z. B. muss durch den Baulärm die Belastung (Lautstärke des Verkehrslärms u.a.), die schon vor dem Beginn der Mietminderung üblich war, spürbar überschritten werden.

Bei Punkt 2. könnte die Vermieterseite argumentieren, dass die Planung des Riederwaldtunnels schon relativ lange bzw. fast mehrere Jahrzehnte dauert und nicht genau bestimmt werden kann, ab welchem Jahr die Mieter schon bei Einzug mit der Baumaßnahme rechnen mussten. Andererseits mussten aber auch die Mieter, die ihre Wohnung in Kenntnis der Planung gemietet hatten, damals nicht einen extrem lauten Baulärm vorhersehen, der teilweise sogar die Grenzwerte überschreitet. Und vor allem war diese mieterfeindliche Rechtsauslegung, die von einer für Mietminderungen relevanten Vorhersehbarkeit der Baustellenbeeinträchtigungen ausgeht, in der Rechtsprechung eine Mindermeinung, die in letzter Zeit nicht mehr vertreten wird.

Die Bedingung unter Punkt 3. erfordert den Beweis, dass die ortsübliche (= normale) Lärmbelästigung (Vorbelastung) „wesentlich" geringer ausfällt als die Belastung durch den Baulärm bzw. inklusive Baulärm. Wie Herr Rottmann sagte, bestehen in der Vatterstraße baulärmbedingte Lärmbelastungen von weit über 50 dB(A). In der Straße „Am Erlenbruch" wurde der Verkehrslärm auch gemessen und bewegt sich im "üblichen" Bereich. Zum Beispiel bewegen sich die Messwerte  "Am Erlenbruch 98" nur für den Straßenverkehr zwischen 55 dB(A) bei Ampel ROT (Stop) und 65 dB(A) bei Ampel GRÜN (freie Fahrt).

Wichtig wäre, dass jeder Mieter die ursprüngliche (ortsübliche) Umwelt-Lärmbelastung seiner Wohnung kennt, zu messen als äquivalenter Dauerschalpegel einen halben Meter vor dem offenen Fenster. Hierzu sollten sich die Mieter gemeinsam Messgeräte organisieren und unter gegenseitiger (Land Hessen) in Kelsterbach und bei gemeinnützigen Umweltvereinen ausgeliehen werden. Es besteht die Problematik, dass eigene Lärmmessungen vor Gericht nur schwer anerkannt werden. Es könnten Lärmmessungen mit kompetenten Zeugen, durch die BI-Riederwald oder von Sachverständigen durchgeführt werden, die aber selbst zu bezahlen wären. Der VCD hat einen geeigneten Messwagen für Langzeitlärmmessungen (Zeitrahmen: 14 Tage pro Gebäude). Für den Baulärm könnten offizielle und damit gerichtsfeste Lärmmessungen von Hessen Mobil verwendet werden (wichtig für Mietminderungen wäre, dass diese Messungen objektiv sind und zeitnah veröffentlicht werden).

Die Messungen müssen von den Mietern baldmöglichst bzw. rechtzeitig vor Beginn des Baulärms organisiert werden – also am besten jetzt sofort! Denn wer die Miete wegen Baulärm mindern will, muss wissen, wie hoch die ortsübliche bzw. vorherige Lärmbelastung war, um den Grad der Veränderung bzw. Verschlimmerung durch die Bauarbeiten beurteilen und beweisen zu können.

Rechtlich ist bei Lärmbelastungen zu unterscheiden zwischen mietrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Schutzvorschriften bzw. Ansprüchen:

Frau/man kann als Mieter gegen seinen Vermieter bereits einen Mietminderungsanspruch nach dem BGB haben, wenn in einer ruhigen Wohngegend die Lärmbelastung auf einen Wert von noch unter 45 Dezibel gestiegen ist. Allein die spürbare Verschlechterung gegenüber der Ausgangslage, wozu auch Erschütterungen und Staubemmissionen beitragen können, berechtigt zur Minderung. Dies könnte u.a. für Mieter bedeutsam sein, die im Inneren der Riederwaldsiedlung wohnen. Für Mietminderungen müssen die Mieter Lärmprotokolle führen (Zeitangaben, Messergebnisse, Lärmart usw.) und möglichst ihre Protokolle gegenseitig monatlich austauschen.

Öffentlich rechtliche Schutzvorschriften hingegen können für die Frage nach der Berechtigung von Mietminderungen allenfalls ein Anhaltspunkt, aber keinesfalls alleinentscheidend sein. Sie regeln stattdessen, wann die zuständige Behörde einschreiten muss. Die ordnungsrechtlichen Normen gegen Lärm greifen im Allgemeinen erst, wenn in reinen Wohngebieten der Grenzwert der AVV Baulärm (in der Regel 50 dB(A), Messpunkt: 50 cm vor dem offenen Fenster) um mehr als 3 dB(A) überschritten wird, vorausgesetzt die Baumaschinen sind länger als 2,5 Stunden am Tag im Einsatz. Grundsätzlich dürfen diese nur an Werktagen in der Zeit von 7 bis 20 Uhr betrieben werden. Die Beurteilung der Belästigung erfolgt über den Beurteilungspegel, der aus dem Wirkpegel ermittelt wird. Bei Betriebsdauern von z. B. mehr als 2,5 Stunden/Tag ist dazu vom Wirkpegel ein Abzug von 5 dB(A) zu machen. Der Wirkpegel wird zuvor nach Vorschrift aus den einzelnen Messwerten bestimmt. Bei kürzerer Betriebsdauer von weniger als 2,5 Stunden pro Tag müssen hingegen 10 dB(A) abgezogen werden, aber bei längerer Betriebsdauer von mehr als 8 Stunden am Tag wird kein Abzug vom Wirkpegel gemacht.

Weitere Details sind der AVV-Baulärm zu entnehmen.

Zuständige Aufsichtsbehörde beim Bauprojekt Riederwaldtunnel ist nicht die Bauaufsicht der Stadt, sondern das Land Hessen bzw. der Bauträger selbst in Person von Hessen Mobil. Absurderweise müsste in Konfliktfällen die zuständige Kontrollbehörde quasi gegen sich selbst ermitteln und vorgehen.

Die Bewohner haben folgende Möglichkeiten, ihre rechtlichen Ansprüche durchzusetzen:
Eine Teilnehmerin schlug vor, die Beweisführung durch gerichtliche Beweissicherungsverfahren abzusichern. Solche Verfahren haben zwar den Vorteil, dass damit vorerst ein Teil des Prozesses, also ein vom Antragsteller benannter Sachverhalt, isoliert geklärt werden kann. Doch beträgt die Vorlaufzeit, u.a. bis vom Antragsteller eine Kaution für das Honorar des Gutachters hinterlegt ist und dieser terminlich tätig werden kann, in der Regel trotzdem noch etwa 3 Monate. Während der Vorlaufzeit muss dem Vermieter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und der streitige Punkt (= der zu begutachtende Sachverhalt) herausgearbeitet werden, auf den es im späteren Gerichtsverfahren entscheidend ankommt. In der Praxis könnte die Zeit zu knapp werden. Helfen könnten hierbei die zuvor privat veranlassten gemessenen Werte, soweit sie rechtzeitig vorliegen und bestimmten Wohnungen zuzuordnen sind.

Bei Mietminderungen wäre der 1. Ansprechpartner der Vermieter (hier: ABG, Wohnheim, VBS, NH). Der Vermieter würde sich gegebenenfalls die geminderte Miete vom Verursacher des Lärms (Bauträger) zurückholen können, was aber nach den Erfahrungen von MIETER HELFEN MIETERN meistens erst gar nicht probiert wird. Es könnte auch ein Mieterverein eingeschaltet werden, um sich bezüglich des Vorgehens bei einer Mietminderung beraten und gegenüber dem Vermieter vertreten zu lassen.

Andiskutiert wurden auch ein Stopp der Baumaßnahme sowie eine Beseitigung der übermäßigen Lärmbeeinträchtigung.

Es bestehen Möglichkeiten, gerichtlich gegen Lärmbelästigungen vorzugehen. Diese sind während laufender Bauarbeiten: Einstweilige Verfügung bzw. einstweiliger Baustopp.

Im Vorfeld der Bauarbeiten kommt auch eine Unterlassungsklage oder Verpflichtungsklage in Frage. Aufbauen kann frau/man bei einer Klage auf den Feststellungen von Herrn Rottmann und von Hessen Mobil, bezüglich der geplanten, lärmintensiven Rammverfahren zum Einsetzen von Spundwänden, sobald deren Messergebnisse vorliegen und konsistent sind. Zu einer guten Erfolgsaussicht bei Gericht würde ferner beitragen, wenn die Wohnung des klagenden Bewohners von beiden oben beschriebenen Anspruchsbedingungen betroffen ist bzw. sein wird, nämlich:

a) Deutlich spürbare Verschlechterung der Wohnverhältnisse b) Überschreitung der Grenze von 50 dB(A).
Bei solchen Gerichtsprozessen sind die Zusammenarbeit mit Fachleuten und eine Prozesskostenversicherung (mit Schutz gegen Störungen außerhalb von Vertragsverhältnissen) angeraten.

Wer sich gegen Streitigkeiten mit dem Vermieter absichern will oder wer hierzu keine geeignete Rechtsschutzversicherung hat, kann sich durch die Mitgliedschaft in einem Mieterverein (z. B. ohne Eigenbeteiligung bei Mieter helfen Mietern Frankfurt e.V. für 80 € pro Jahr) vertreten lassen und Prozesskostenschutz erhalten.

 

   
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